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Radiosendung über die Christliche Wissenschaft

26. Mai 2010 Kommentare aus

Deutschlandradio Kultur – Gesendet am 22.5.2010, 16:05

„Weil es immer darum geht, dass Gott heilt“
Christian Science – die „Wiederentdeckung“ christlicher Heilkraft

Von Stefanie Oswalt

Auch wenn ihr Name im ersten Augenblick eine Verwandtschaft suggeriert – mit der umstrittenen Sekte Scientology hat sie gar nichts zu tun, die Christliche Wissenschaft. Vielmehr möchte diese Religion den Aspekt des christlichen Heilens durch die Kraft des Gebets wieder stärker ins Bewusstsein der Gläubigen bringen.
Sonntagvormittag in der ersten Kirche Christi, Wissenschaftler in Berlin-Wilmersdorf. Ein karger Kirchenraum aus dem Jahr 1937, nur ein Spruchband in der Apsis verkündet „Gott ist Liebe“. 650 Sitzplätze zeugen davon, wie groß der Ansturm einst gewesen sein muss. Heute sitzen knapp 30 versprengte Gläubige in den leeren Stuhlreihen beim Gottesdienst. Frauen mittleren Alters fast alle, gut gekleidet, freundlich – und von ihrem Glauben beseelt.

Eipel: „Ich bin in Christian Science aufgewachsen und ich habe nie einen Arzt in Anspruch nehmen müssen, nie Medikamente genommen, und ich habe mich in jeder Situation auf Gott verlassen.“

Diederichs: „Für mich ist außerdem…wichtig, dass ich… durch das Praktizieren von Christian Science ein gänzlich anderer Mensch geworden bin. Ich war früher aufbrausend und hektisch und unruhig und alles andere als sanft und bin jetzt zum großen Teil das Gegenteil davon …“

Elke Eipel und Ingrid Diederichs sind selten krank. Und wenn doch, so vertrauen sie nicht auf eine medizinische Behandlung, sondern auf die Christian Science, die Christliche Wissenschaft. Beide folgen damit der Amerikanerin Mary Baker Eddy, die die Glaubensgemeinschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet hat. Den Menschen versteht Eddy nicht als materiell – sondern, in Anlehnung an den Schöpfungsbericht der Genesis – als gottgleich und daher rein spirituell, erklärt Britta Waldschmitt-Nelson, die sich unlängst an der Münchner Universität mit einer Arbeit über die „Christian Science im Lande Luthers“ habilitiert hat.

Waldschmidt: „Sie sagt, dass wenn man diese göttlichen Gesetze und sozusagen diese Kraft der göttlichen Liebe und die wahre spirituelle Natur des Menschen und der gesamten Schöpfung wirklich versteht, dann kann man alle körperlichen Leiden, also Krankheiten, aber auch Sünde, letztendlich auch den Tod überwinden, und zwar schon hier und jetzt überwinden.“

Das klingt sehr abstrakt und widerspricht der orthodoxen christlichen Auffassung, nach der die Erlösung erst im Jenseits zu erwarten ist. Die Erklärung ihrer Lehre lieferte Mary Baker Eddy in ihrem Hauptwerk „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift.“ Es ist eine Mischung aus theologischen Überlegungen und praktischen Anleitungen und steht für die Anhänger der Christlichen Wissenschaft unverzichtbar neben der Bibel.

Zwei Vorleserinnen haben sich aus ihren Lehnstühlen erhoben und stehen nun am großen Lesepult. Im Wechsel tragen sie aus der Bibel und aus Eddys Lehrbuch vor. Die Zitatsammlung zum Thema „Seele“, gibt die Mutterkirche in Boston für alle heutigen Gottesdienste weltweit verbindlich vor. Mary Baker Eddy wollte so eine Verfälschung ihrer Lehre durch individuelle Auslegung verhindern.

Christliche Wissenschaft ist puristisch. Ordinierte Priester, Riten oder Feste, die für viele Gläubige ein unabdingbarer Bestandteil ihrer Religion sind, kennt der Glaube nicht. Besondere Bedeutung fällt den so genannten „Praktikern“ zu. Sie vermitteln Kranken die Erkenntnis, dass sie „vollkommen“ und Gottes geliebte Kinder sind.

Hake: „Man sitzt in einem Raum, mit lauter Fenstern drum rum und man könnte ja auch eigentlich herausgucken und die Schönheit von Gottes Schöpfung sehen, aber irgendwie hat man die Scheiben aus Versehen alle voll geschmiert und dann kommt der Praktiker und macht den Fensterputzer, und dann kann ich wieder gucken. Weil es immer darum geht, dass Gott heilt, nicht der Praktiker. “

Die einstige Grundschullehrerin Inge Hake arbeitet schon seit Jahren als Praktikerin. Sie unterstützt den Heilungsprozess ihrer Patienten durch Gebet.

Hake: „Mein Auslöser, wirklich in die Praxis zu gehen, war der Hund. Der hatte die ersten Jahre seines Lebens immer Magenschmerzen, und zwar so laut, dass man ihn immer quietschen hörte … Und eines Nachts weckt mich mein Mann und sagt: Jetzt stirbt das Tier und du musst was machen … Ich hab dann also für den Hund gebetet. Nach er halben Stunde schief der ein und ich auch und am nächsten Morgen war der fit …“

Glaube verknüpft mit einem ganzheitlichen Blick auf die Kreatur. Gerade bei Zivilisationskrankheiten, psychosomatischen Leiden, Depressionen, Frauen- und Rückenleiden, entfalte die Christliche Wissenschaft besondere Wirkung, sagen ihre Anhänger. Praktiker Klaus-Hendrik Herr ergänzt:

Herr: „Im näheren Umkreis gibt es Heilungen von Kinderlähmung, es gibt bei einer guten Freundin in Hamburg Heilung von Krebs, bei mir selbst vom Leistenbruch, bei meiner Frau von Knochenbruch, Kinderkrankheiten, die sehr schnell geheilt wurden … also in der Bibel heißt es: Was kann denn mein Gott nicht tun?“

Waldschmitt: „Mag man jetzt sagen, es sind die Selbstheilungskräfte des Körpers, die dann in ungeheurer Weise aktiviert werden, da gibt es ja auch Studien dazu oder mag man zugestehen, es gibt tatsächlich irgendwelche göttlichen Heilkräfte…auf jeden Fall sind die Heilungserfolge der Christlichen Wissenschaft wirklich erstaunlich.“

Außenstehende wie Britta Waldschmitt-Nelson bleiben oft skeptisch und konsultieren im Normalfall lieber die Schulmedizin. Praktikerin Hake sieht das gelassen.

Hake: „Wenn Sie Angst haben und Sie dann auf die Christian Science nicht vertrauen, sondern lieber auf die Neurochirurgie, dann ist das mit Sicherheit auch das Bessere … Und wenn alle wollen, dass du ins Krankenhaus gehst, dann geh doch einfach. Es gibt keinen Ort, wo Gott nicht ist.“

Quelle: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/1188146/

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